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Vizepräsidium

«Ich bin gerne bei den Leuten»

Valérie Boillat ist seit Februar 2024 Vizepräsidentin des SEV und zuständig für die Konzessionierten Transportunternehmen (KTU). Die gelernte Historikerin und Wahl-Genferin aus dem Jura und dem Wallis arbeitet seit vielen Jahren im gewerkschaftlichen Umfeld, zuletzt bei Movendo, davor bei Unia. Ein Gespräch.

Du hast in einer sehr turbulenten Zeit angefangen, beim SEV zu arbeiten. Wir befanden uns im Endspurt der Kampagne für die 13. AHV-Rente, es gab eine Geiselnahme in einem Zug in der Nähe von Yverdon und vieles mehr. Bist du gut angekommen?

Ja, ich bin sehr gut beim SEV angekommen. Zuerst möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen danken, die mich gut aufgenommen haben, in Bern wie auch in den Regionalsekretariaten. Danke ebenfalls den Milizlerinnen und Milizlern, bei denen ich mich auch willkommen fühle. Ich freue mich, eng mit Gilbert D'Alessandro, meinem VPT-Präsidenten, und dem gesamten Zentralvorstand des Unterverbands zusammenzuarbeiten. Natürlich habe ich ein hohes Arbeitstempo, springe von Termin zu Termin. Und ich habe an allen fünf Sektionskonferenzen teilgenommen.

Wie hast du die Begegnungen mit unseren Millizlerinnen und Milizlern an diesen Sektionskonferenzen erlebt?

Ich lerne mehr, wenn ich vor Ort gehe und mit den Leuten spreche, als wenn ich im Büro sitze und Geschäftsberichte lese. Letzteres muss ich natürlich auch tun. Ich muss mich über unsere verschiedenen GAV auf den neuesten Stand bringen. Diese intensive Phase des Lesens kann ich zum Glück während meinen vielen Zugfahrten tun (lacht). Wenn ich vor Ort bin, treffe ich die Menschen, die unsere Gewerkschaft ausmachen, und das macht mir Freude und bringt mir viel. Es ist eine Freude und macht mich stolz, die Vielfalt der Berufe und Fähigkeiten im Verkehrsbereich zu sehen. Für mich geht ein Kindheitstraum in Erfüllung, dass ich bei den KTU für Züge, Busse, Schiffe und Seilbahnen zuständig bin. Das verpflichtet mich natürlich auch gegenüber unseren Mitgliedern. Ich habe grossen Respekt vor ihnen und versuche deshalb, ihren Alltag und ihre Sorgen besser zu verstehen.

Die erste Sektionskonferenz war in Romanshorn. Ich blieb ziemlich lange und es tat mir wirklich gut, vor allem, weil ich mich lange mit einem Lokführer von Thurbo unterhalten konnte. Wir stellten fest, dass wir das gleiche Geburtsjahr hatten, aber unterschiedliche Lebensläufe. Er war in der ehemaligen DDR geboren. Meine Leidenschaft für Geschichte gewinnt oft wieder die Oberhand. Ich versuche, Verbindungen zwischen der «grossen Geschichte» und den persönlicheren Geschichten der Menschen, denen ich begegne, herzustellen. Das ist meine Art zu arbeiten. Dann kamen die Konferenzen in Zürich, Bern und Lausanne, schliesslich noch im Tessin. Das war sozusagen das Sahnehäubchen auf dem Kuchen, denn ich habe das Glück, dass ich mich recht gut auf Italienisch ausdrücken kann. Ich freue mich darauf, diese Sprache wieder öfter zu sprechen. Es war auch ein grosses Vergnügen, in dieser Zeit oft mit meinen Kollegen aus der Geschäftsleitung, Matthias Hartwich, Patrick Kummer und Aroldo Cambi, zu reisen und unsere Beziehungen zu vertiefen.

Was hat dich besonders beeindruckt?

Ich beginne mit dem Geschenk, das ich von meinem Vorgänger Christian Fankhauser erhalten habe, «seinem Baby», der Broschüre über die Gesundheit in der Busbranche. Sie ermöglicht uns, bei den Unternehmen, bei den Kantonen, bei den Arbeitgebern und natürlich bei unseren Mitgliedern Aufklärungsarbeit zu leisten, indem wir zeigen, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen. Ich muss zugeben, dass mich das Ausmass der Gesundheitsprobleme in dieser Branche beeindruckt und alarmiert hat. Mir wurde bewusst, welche Herausforderungen mit dem Fahren verbunden sind, weil man zu lange Schichten fährt, sich zu wenig bewegt und keine wirklichen Pausen für die physiologischen Bedürfnisse hat. Mir wurde bewusst, wie wenig bekannt die Probleme sind, die Frauen in der Branche betreffen (fehlende Umkleidekabinen, körpergerechte Kleidung, Aggressivität, Sexismus bis hin zur Ausgrenzung bestimmter Kolleginnen usw.). Natürlich habe ich Lust, diese Themen weiterzutragen, zum Beispiel gemeinsam mit den Busfahrerinnen der TPF und der Fart, die ich in Bellinzona kennengelernt habe, oder anderen, die ich noch kennenlernen werde. Ihr Engagement freut mich und ich ziehe meinen Hut vor ihnen.

Generell ist es immer noch ein sehr männerdominierter Beruf, aber wir können aufgrund des Personalmangels wieder in die Offensive gehen. Wir können versuchen, die Branche zu feminisieren und zu verjüngen. Auch hier vergesse ich als Geschichtsliebhaberin nicht, dass wir in den 1930er und 1970er Jahren weibliches und ausländisches Personal als «Konjunkturpuffer» (ein schrecklicher Begriff!) eingesetzt und diese Arbeitskräfte an den Herd oder in ihre Heimatländer zurückgeschickt haben, wenn es Arbeitslosigkeit gab. Das empört mich! Es gibt noch vieles zu tun. Es geht darum, die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern, um die Mobilität von morgen zu gewährleisten. Teilzeitarbeit kann ein Weg für Männer und Frauen sein, aber die Arbeitszeit muss – und ich weiss, dass das nicht einfach ist – mit dem Arbeitszeitgesetz vereinbar sein, das ein ziemlich enges Korsett darstellt, aber auch und vor allem einen sehr wichtigen Schutz der Arbeitsbedingungen.

Die Unternehmen verzeichnen gute Zahlen. Der öffentliche Verkehr ist beliebt und die Gewinne steigen. Gleichzeitig fehlt es an genügend Fahrerinnen und Fahrern. Es wird allgemein von Personalmangel gesprochen. Hast du schon Ideen oder Forderungen, die du an die Unternehmen stellen wirst?

Bevor ich mit dir dieses Interview geführt habe, waren wir im Gespräch mit dem Verband des öffentlichen Verkehrs (VöV). Auch sie sehen eine Chance für die Branche. Die Zahlen sind ziemlich gut, die Kundschaft ist zurückgekehrt. Wir haben eine Rückkehr zu einer gewissen Normalität nach den Covid-Jahren. Natürlich muss man zwischen SBB, BLS, SOB, touristischen Bahngesellschaften und anderen Transportunternehmen insbesondere im Regionalverkehr unterscheiden. Dies wird eine unserer vorrangigen Baustellen sein, um die Kredite zu erhalten und gute regionale Verbindungen zu bewahren. Wir müssen Koalitionen mit den Reisenden, mit den Unternehmen und mit der Politik eingehen. Ich mag es, diese Verbindungen herzustellen. Natürlich bin ich nicht naiv und weiss, dass es Abwägungen geben wird, dass das Geld nicht vom Himmel fällt. Ich weiss, dass die Kantone und Gemeinden die Auftraggebenden sind und dass sie oft strengen Schuldenbremsen unterliegen.

In einem Jahr, im Juni 2025, findet der nächste Kongress statt, bei dem du offiziell gewählt wirst. Gibt es bereits Ziele, die du bis dahin erreichen möchtest?

Im Moment besteht mein Hauptziel, mein «Fixstern», darin, übergreifender zwischen den Dossiers der SBB und der KTU zu arbeiten. Ein Projekt, das ich zum Beispiel für sehr mobilisierend halte, ist es, über Movendo mehr Weiterbildungen anzubieten. Das verbindet. Querverbindungen machen uns stärker. Dabei kann ich mich auf meine Kollegen in der Geschäftsleitung verlassen. Wir teilen viele Dinge miteinander. Wir sagen uns auch Dinge. Wir haben eine Feedback-Kultur. Das ist etwas, das ich sehr schätze.

Michael Spahr